Über 125 Jahre RKB Soli
Der solidarische Sportverband. Seit 1896.
Wir blicken auf über 125 Jahre Geschichte zurück. Aus der Arbeitersportbewegung
heraus entstanden, waren wir in der Weimarer Republik der weltweit mitgliederstärkste
Radsportverband. Dieser Tradition fühlen wir uns bis heute verpflichtet ohne uns Neuem zu
verschließen.
Von damals bis heute
Der RKB wird ein Verband
Von den ersten mutigen Schritten einer Gemeinschaft bis zur Entwicklung einer bundesweiten Bewegung: Die Geschichte der RKB Solidarität ist geprägt von Engagement, Zusammenhalt und dem Streben nach gemeinsamen Zielen. Entdecke, wie Visionen Wirklichkeit wurden, welche Herausforderungen gemeistert wurden und welche Werte uns bis heute verbinden.
Kaiserreich
Zuckerbrot und Peitsche
Deutschland ist Mitte des 19. Jahrhunderts ein Flickenteppich aus Kleinstaaten ohne gemeinsame Währung und Maßeinheiten. Die Industrialisierung nimmt deshalb erst nach der Reichsgründung von 1871 richtig Fahrt auf. Doch mit der Industrialisierung wächst auch das Elend der Arbeiterklasse: Viele Menschen rackern mehr als 70 Stunden in der Woche und hausen auf engstem Raum – die Lebenserwartung liegt bei unter 40 Jahren.
Aus Angst vor dem Aufstand setzt Reichskanzler Bismarck auf „Zuckerbrot und Peitsche“: Sozialversicherungen sollen das schlimmste Elend verhindern, gleichzeitig verbietet das „Sozialistengesetz“ alle Vereine, Versammlungen und Publikationen von Sozialdemokraten, Sozialisten und Kommunisten.
Die Gründung des „Arbeiter-Radfahrerbundes Solidarität“
Trotz staatlicher Repressionen wächst die Sozialdemokratie. Und so kann auch das „Sozialistengesetz“ nicht länger aufrechterhalten werden. Schnell gründen sich im ganzen Land Kultur- und Sportvereine, die neben SPD, Gewerkschaften und Genossenschaften die vierte Säule der Arbeiterbewegung werden.
An Pfingsten 1896 schließen sich in Offenbach nach anderen Gruppen wie den Sängern und Turnern dann auch die proletarischen Radfahrer zusammen. Es ist das offizielle Gründungsdatum des „Arbeiter-Radfahrerbundes Solidarität“. Mit knapp 150 000 Mitgliedern ist er 1913 der zweitgrößte Arbeitersportverband Deutschlands – nur die Turner sind noch zahlreicher.
Rote Husaren des Klassenkampfs
Eine beliebte Aktivität im ARB Solidarität sind Radwanderungen. Die Ausfahrten sollen nicht nur Abwechslung zum harten Arbeitsalltag und Erholung vom ungesunden Leben in den Städten bieten, sondern haben auch einen politischen Zweck: In den entlegensten Gegenden für die Sache der Sozialdemokratie zu werben. Hatte die Partei zunächst Sorgen, dass in Folge der „Vereinsmeierei“ die politische Betätigung vergessen werde, erkennt auch sie irgendwann, dass die Wahlerfolge nicht zuletzt den Arbeiter-Radfahrern zu verdanken sind:
„Wenn Partei und Gewerkschaften die große geschlossene Armee darstellen, (…) dann sind Sie auf Ihren stählernen Rossen die roten Husaren des Klassenkampfes“,
so ein Redakteur der sozialdemokratischen Presse voller Pathos.
Zwischen Solidarität und Burgfrieden
Neben der Freizeitgestaltung bietet der Verband mit einem eigenen Versicherungssystem auch handfeste Vorteile: Unterstützt wird zum Beispiel, wer auf einer Ausfahrt einen Unfall hatte, vorübergehend nicht arbeiten kann und deswegen keinen Lohn erhält. Ab 1907 zahlt die Versicherung auch, wenn man sich beim Putzen seines Rades verletzt hat – sicher ist sicher!
An seine Grenzen stößt das System nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges, denn die Zahlungen an die Familien gefallener Mitglieder übersteigen die finanziellen Möglichkeiten. Der ARB hatte den „Burgfrieden“ der SPD mit der Reichsregierung unterstützt: Auch die vermeintlich „vaterlandslosen Gesellen“ wollten ihre Pflicht fürs Vaterland erfüllen – 14 000 Mitglieder bezahlen diese Pflicht mit ihrem Leben.
„Auf, Franzosen, Deutsche, kniet nieder, alle starben für ihr Vaterland!“ Zeitgenössische Karikatur zum „Burgfrieden“ (Zeitschrift „Der wahre Jacob“)
Weimarer Republik:
Made in Offenbach: die „Frischauf“-Fabrik
In der Weimarer Republik ist der ARB nicht nur der größte Radsportverband der Welt, sondern betreibt auch eine eigene, genossenschaftliche Fabrik. Deren Wurzeln liegen in einer kleinen Berliner Einkaufsgenossenschaft, die sich dem Verband bereits im Kaiser- reich angeschlossen hatte. Ab 1922 wird unter dem Label „Frischauf“ dann selbst produziert. Zunächst Saal-, Straßen- und Einräder, später neben allerlei Zubehör auch Nähmaschinen und sogar Motorräder.
Motorisierung heißt Fortschritt — doch Arbeiter können sich keine Autos leisten, sondern nur Krafträder. Weil sich immer mehr Motorradfahrer dem Verband anschließen, ändert der 1928 schließlich seinen Namen: Aus dem Arbeiter-Radfahrerbund (ARB) wird der Arbeiter-Rad- und Kraftfahrerbund (ARKB) Solidarität.
Die Werkswohnungen sind der letzte erhaltene Rest der Offenbacher Frischauf-Fabrik. Die Ausstattung ist für damalige Verhältnisse luxuriös – es gibt sogar Balkone!
Zeitzeugeninterview: Irmgard Baumann und das „Frischauf“
Die Familie von Irmgard Baumann lebte und arbeitete im „Frischauf“, der genossenschaftlich geführten Fabrik des AR(K)B Solidarität.
Im Interview erzählt sie von schweren Zeiten, schönen Erinnerungen – und einer Nähmaschine.
Sport, nur anders: die Arbeiterolympiaden
Seit seiner Gründung steht der Verband auch für ein anderes Verständnis von Sport. Die gemeinsame gesellige Zeit soll im Vordergrund stehen. Jagd nach Rekorden und individuelle sportliche Höchstleistungen sind Sache des Bürgertums, das Motto des Arbeiter lautet „Massensport statt Kampfrekord“. Auf den internationalen Arbeiterolympiaden der Zwanziger- und Dreißigerjahre wird dieses alternative Sportkonzept öffentlichkeitswirksam umgesetzt. An der ersten dieser großen Veranstaltungen, zu deren Gelingen der ARKB maßgeblich beiträgt, beteiligen sich über 100 000 Sportler, inklusive Frauen und Kinder. Es gibt ein kulturelles Rahmenprogramm, aber keine Nationalhymnen oder -flaggen. Heute lebt die Idee der Arbeiterolympiaden in den „World Sports Games“ weiter.
Mehr Infos zur Geschichte der Arbeiterolympiaden und den „World Sports Games“:
„Ruhmlechzende Amazonen“: die Frauen im Verband
Während Renn- und Motorsport Männerdomäne bleiben, wird zumindest der Hallenradsport in den Zwanzigerjahren weiblicher.
Frauen auf Fahrrädern? Das war im Kaiserreich noch ein Skandal. Die männlich dominierte medizinische Fachwelt warnte: Regelmäßiges Radeln erschwere den Geburtsakt und die Damen würden sich auf dem Sattel hemmungslos der Onanie hingeben.
Auch im ARB war man lange skeptisch: „Vom idealen Charakter der Frauen geht viel verloren, wenn sie als kampflüsterne, ruhmlechzende Amazonen erscheinen. (…) Die Frau soll uns eine fröhliche Gesellschafterin auf dem Rade sein“, hieß es noch 1910 in der Verbandszeitschrift. Dennoch war der ARB seiner Zeit auch damals weit voraus: Allein, dass Frauen von Anfang an Mitglied werden konnten, war keinesfalls selbstverständlich.
Obwohl immer mehr Frauen dazustoßen, dauert es aber, bis ihr Anteil auch auf Funktionärsebene wächst – und eine Bundesbeauftragte für Gleichstellung hat der Verband erst seit 2022.
Vom Verbot zur Förderung: die Jugend im Verband
Die kaiserlichen Beamten hatten noch Mittel und Wege, den ARB kleinzuhalten – unter anderem das Reichsvereinsgesetz, das Jugendlichen die Mitgliedschaft in politischen Vereinen untersagte.
Erst in der demokratischen Weimarer Republik kann der Verband deshalb eine Verjüngungskur durchlaufen, 1926 regelt eine Richtlinie dann erstmals die Jugendarbeit: Neben einer „harmonischen Ausbildung des Gesamtmenschen“ und dem „Kampf mit dem Kapitalismus“ müsse es Ziel sein, dass die Jugend sich überall einbringen kann. Das allerdings funktioniert mehr schlecht als recht – bis sich 1954 mit der „Solijugend“ ein eigenständiger Jugendverband gründet. Der veranstaltet 1965 erstmals seine wichtigste Maßnahme: Ein internationales Jugendlager, auf dem seitdem jedes Jahr mehr als zweihundert junge Menschen aus verschiedenen Ländern und Kontinenten an wechselnden Orten zusammenkommen.
Schnittig mit Schlips: Nachwuchsradler im Jahre 1922
„Werkstätten der Demokratie“: In Jugendverbänden bestimmen Kinder und Jugendliche, wo es langgeht. Der Bundesjugendkongress, auf dem Delegierte aller Landesverbände zusammenkommen, ist das wichtigste Gremium der Solijugend.
Nationalsozialismus:
Sport und Spaltung
Spätestens seit Ende des Ersten Weltkriegs ist die Arbeiterbewegung gespalten: Reformer stehen auf der einen, Revolutionäre auf der anderen Seite. 1919 bekommt die SPD mit der Gründung der KPD eine ernstzunehmende Konkurrenz. Die Spaltung ist damit auf parteipolitischer Ebene zunächst besiegelt.
Doch sie endet nicht dort: Auch durch die Arbeitersportbewegung geht ein Riss. Ihr Dachverband schließt die Kommunisten aus, die daraufhin einen eigenen gründen: die „Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit.“
Durch die internen Grabenkriege geschwächt, kann die Arbeiterbewegung den Aufstieg der Nazis nicht verhindern.
Verbot und Enteignung I: der Bund
Am 30. Januar 1933 wird Adolf Hitler Reichskanzler. Es ist der Beginn einer beispiellosen Schreckensherrschaft, der Millionen Menschen zum Opfer fallen werden. Als erstes trifft es die politischen Gegner im Inland und zuallererst die Arbeiterbewegung.
Wenige Wochen nachdem SPD-Fraktionsführer Otto Wels die letzte freie Rede im Reichstag gehalten hat, wird auch der ARKB verboten. Die Zentrale in Offenbach wird von der SA besetzt, Akten, Schriftstücke und Archivmaterial verbrennen die Braunhemden. Was in der „Frischauf“-Fabrik des Verbandes zu finden ist, wird beschlagnahmt. Die Fahrräder und Motorräder gehen nicht nur an Polizeieinheiten, SS und Hitlerjugend, sondern auch an die bürgerlichen Radvereine.
Verbot und Enteigung II: die Ortsgruppen
1933 ist der RKB mit rund 4.800 Ortsgruppen in nahezu jeder Stadt vertreten. Zusammen besitzen die lokalen Vereine mehr als 20 000 Saalräder. In vielen Städten und Dörfern gelingt es, nicht nur dieses wertvolle Sportmaterial, sondern auch Fahnen und Banner vor den Nazis zu verstecken. Doch vielerorts helfen Funktionäre des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) den uniformierten Räubern: Sie verraten, wo die Räder stehen; und wenn man nicht sofort findet, was man sucht, prügelt und foltert die Gestapo die ARKB-Funktionäre in ihren Kellern – bis sie bekommt, was sie will.
Zeitzeugeninterview: Fahne verstecken, Flagge zeigen. Geschichte und Gegenwart des RRV Bad Friedrichshall
Der RRV Bad Friedrichshall gründete sich im Mai 1908 unter dem Namen „Arbeiter-Radfahrerclub Freiheit“. Als Mitgliedsverein des RKB wurde auch er von den Nationalsozialisten verboten und enteignet.
Im Interview erzählen Rita Friede (Bundesrollsportleiterin, Mitglied seit 1964) und Richard Schmidt (Mitglied seit 1953) unter anderem vom „Kronenwirt“, der die Vereinsfahne vor den Nazis versteckt hat, und warum Vereine heute mehr denn je Flagge gegen zeigen müssen – für Demokratie und Vielfalt, gegen Rechtsextremismus und AfD.
Zeitzeugeninterview: „Wir haben keine Angst gezeigt“. Helmut Minne und die versteckten Räder
Helmut Minne (Jahrgang 1935) hatte es schwer in der Schule, denn als Sohn eines engagierten Arbeitersportlers wurde er vom Nazi-Lehrer besonders ins Visier genommen.
Auch seine Frau Vera (Jahrgang 1937) kann von dem Leid berichten, dass die Nazis und ihr Terrorregime über Deutschland und die Welt gebracht haben: Als die Rote Armee auf dem Vormarsch nach Westen war, ist sie mit ihrer Familie aus Ostpreußen geflohen.
Doch Vera und Helmut Minne haben sich nicht unterkriegen lassen: Unter schwierigsten Bedingungen beteiligten sich die beiden an der Wiedergründung des RSV „Adler“ Hörden, der – als Untergliederung des RKBs – von den Nationalsozialisten enteignet und verboten worden war.
Von Karlsruhe in die Welt. Sport und Völkerverständigung beim RMSC
Der RMSC Karlsruhe gründete sich 1903 unter dem Namen „Radfahrerverein ,Wanderlust‘ im Arbeiter-Rad- und-Kraftfahrerbund Solidarität“. Als Mitglied unseres Verbandes wurde auch er 1933 von den Nationalsozialisten verboten und enteignet.
Im Interview erzählen Edelbert Lang (Mitglied seit 1947) und Gerhard Ruf (Mitglied seit 1953), deren Vorfahren sich bereits lange vor 1933 im RKB engagiert hatten, von den ersten Tagen des Vereins, Erinnerungen an den Nationalsozialismus und dem schwierigen Neuanfang – sowie von der völkerverbindenden und integrativen Kraft des Sports.
Widerstand
Manche Mitglieder leisten aktiv Widerstand. Einer von ihnen ist Franz Zielasko, der im ARKB verschiedene Ämter ausgeübt hatte und mit seiner Kunstradgruppe mehrfach Reichsmeister geworden war. Nachdem er 1927 in die KPD eingetreten ist, wandert er 1932 in die UdSSR aus, kämpft in den Internationalen Brigaden gegen die spanischen Faschisten, um sich schließlich nach dem Überfall auf die Sowjetunion erneut freiwillig zu melden. Nach einer anderthalbjährigen Ausbildung springt er mit einem Fallschirm, gefälschten Papieren, Essensmarken und Geld über Warschau ab und schlägt sich bis ins Ruhrgebiet durch. Mit anderen ehemaligen ARKB-Mitgliedern baut er ein illegales Netz auf – doch bevor die Gruppe tätig werden kann, wird sie von der Gestapo aufgespürt.
Franz Zielasko wird am 18. August 1943 im Gefängnis Gladbeck zu Tode gefoltert. Zugegeben hat er nur, was die Nazis sowieso schon wussten.
ARKB-Mitglied Franz Zielasko (untere Reihe, Mitte) als Freiwilliger der Internationalen Brigaden, die im Spanischen Bürgerkrieg gegen die Faschisten kämpften.
Bundesrepublik
Stunde null? Land und Verband nach der Befreiung
Nach der bedingungslosen Kapitulation bleiben führende Nazis Lehrer und Polizisten, Richter und Unternehmer. Und auch im Sport hat es eine „Stunde null“ nie gegeben: Karl Ritter von Halt (Ex-„Reichssportführer“) als Präsident des Nationalen olympischen Komitees ist nur ein prominentes Beispiel. Deswegen entscheiden die RKB-Funktionäre, den Verband wieder aufzubauen.
Dazu gehört auch die Forderung nach Entschädigung und Wiedergutmachung. Allein für das Bundeshaus und die Frischauf-Fabrik in Offenbach veranschlagen Anwälte rund sechs Millionen DM – am Ende muss sich der Bundesverband mit 400 000 DM zufriedengeben. Die Ortsgruppen müssen einzeln für ihr Recht kämpfen. Der letzte positive Bescheid trägt das Datum des 17. Mai 1972, fast dreißig Jahre nach der Befreiung.
Politische und sportliche Isolation
Bis Mitte der Sechzigerjahre verlassen viele Sportler den RKB, der zunehmend isoliert ist: Zum einen versuchen SPD und Gewerkschaften angesichts der Erfahrungen aus der Weimarer Zeit, auf die großen Institutionen des Einheitssports Einfluss zu nehmen, lassen den RKB also links liegen; zum anderen lässt der Deutsche Sportbund (DSB) nur einen Spitzenverband pro Sparte zu. Für den Radsport wird das der „Bund Deutscher Radfahrer“ (BDR). Im kriegerischen Tonfall fordert dieser, der RKB solle sich „bedingungslos unterwerfen“ und auflösen. Der aggressive Vorstoß schweißt den Verband erneut zusammen: Man beschließt, selbständig zu bleiben und reicht eine Klage zur Aufnahme in den DSB ein. Das Verfahren zieht sich über mehrere Jahre und endet 1977 mit einem positiven Urteil in höchster Instanz. Als Geste des Fair Play verzichtet der RKB auf die vollständige Vollstreckung und wird „Sportverband mit besonderer Aufgabenstellung.“
Wende gut, alles gut? Die kurze Geschichte des RKB der DDR
Bis zum Mauerfall ist die Geschichte des RKB eine westdeutsche: Hinter dem Eisernen Vorhang gibt es nur den zentralen „Deutschen Radsport-Verband der DDR“, sodass die 1933 verbotenen RKB-Strukturen nicht wieder aufgebaut werden können.
Am 7. Juli 1990 gründet sich der RKB dann schließlich doch noch in der DDR. Ein gutes Jahr lang existieren in Ost und West zwei gleichnamige, aber rechtlich unabhängige Verbände – bis sie sich im November 1991 zusammenschließen. Wie bei den beiden deutschen Staaten ist es auch bei den beiden Verbänden keine Vereinigung auf Augenhöhe. Der Euphorie folgt deshalb bald Ernüchterung: Viele Ostvereine hatten sich mehr versprochen und verlassen den RKB wieder, sodass am Ende lediglich zwei ostdeutsche Landesverbände übrigbleiben.
Zeitzeugeninterview: Wende gut, alles gut? Die kurze Geschichte des RKB der DDR
Am 7. Juli 1990 gründet sich der RKB „Solidarität“ der DDR. Schon wenige Monate später ist der zweite deutsche Staat Geschichte: Am 3. Oktober tritt die DDR der Bundesrepublik Deutschland bei. Der RKB der DDR existiert noch einige weitere Monate – bis zum 9./10. November 1991, als er sich mit dem alten, westdeutschen Verband zusammenschließt.
Im Interview erzählen Tom-Uwe Bialowons (Vorsitzender des RKB-Landesverbandes Berlin/Brandenburg), Steffen Feiereis (Geschäftsführer des RKB „Solidarität“ DDR 1990–1991) und Torsten Hammer (Vizepräsident Jugend RKB DDR 1990–1991, Jugendbildungsreferent RKB DDR und neue Bundesländer 1990–1993) von ihrer Jugend im „Realsozialismus“ und der kurzen Geschichte des RKB der DDR.
Von der Pleite aufs Podest (1990–2024)
In den ersten Jahren nach der deutschen Einheit schreiben die „Roten Radler“ rote Zahlen. In der Bundesgeschäftsstelle türmen sich unbezahlte Rechnungen, Mahnungen und Briefe des Finanzamtes. Nur durch einen radikalen Sparkurs kann der Schuldenberg von rund 800 000 DM über einen Zeitraum von 12 Jahren unter dem wachsamen Auge des Bundesverwaltungsamtes abgetragen werden.
Dennoch gelingt es, die gezielte sportliche Förderung auszubauen. Vor allem im Kunstradsport stellen sich dadurch Anfang der Neunzigerjahre erste Erfolge ein: Zahlreiche Titel auf nationalen und internationalen Wettkämpfen sprechen für sich.
Traditionsverbunden und doch offen für Neues, freut sich der RKB derzeit vor allem über den jüngsten Zuwachs: 2022 ist die „Deutsche Inline Hockey Liga“ (DIHL) Teil des Verbandes geworden.
Jana Pfann (RKB Solidarität Bruckmühl), Weltmeisterin im 1er-Kunstrad (2022)